Restaurierte Zukunft

Von Gerd Syllwasschy

 

Stanley Kubrick arbeitete wenige Jahre vor seinem Tod noch an einer Restaurierung seines Science-fiction-Klassikers 2001: A Space Odyssey - und spätestens seit die restaurierte Fassung als Abschlußfilm der diesjährigen Berlinale angekündigt wurde, war unter den Kubrickianern dieser Welt die Gerüchteküche am Brodeln. Zumal das offizielle Berlinale-Programm kein Wort über Art und Umfang der Restaurierung verlor, sondern nur eine zeitgenössische Rezension zitierte. Was Wunder, daß der Schreiber dieser Zeilen sein verlängertes Berlin-Wochenende mit einem Berlinale-Besuch verbinden wollte, um sich selbst ein Bild zu machen.

Keine Chance. Bevor man einmal "Hallo, Hal, hörst du mich?" sagen konnte, war der 1600 Zuschauer fassende Berlinale-Palast ausverkauft. Zum Glück lief der Film bereits am nächsten Tag regulär in den Berliner Kinos an, und so hatte ich am 19. Februar Gelegenheit, ihn in dem altehrwürdigen Delphi-Filmpalast in der Charlottenburger Kantstraße zu sehen. Möglicherweise eins der schönsten Filmtheater Deutschlands: Balkon, Stuckdecke, rote Vorhänge und Wandverkleidungen, große Leinwand, exzellente Akustik gepaart mit modernster Tontechnik - Kinovergnügen, wie es sein sollte!

Aber zum Film ... Es handelt sich nicht um einen "director's cut" - Einstellung für Einstellung entspricht haargenau der aus den letzten 33 Jahren bekannten Fassung. Es ist auch keine "special edition" mit nachgedrehten Szenen oder hineindigitalisierten Effekten. Wenn überhaupt eine digitale Bildbearbeitung stattgefunden hat, dann höchstens zur Farbkorrektur.

Was nämlich auf jeden Fall stattgefunden hat, ist eine äußerst sorgfältige Licht- und Farbbestimmung. Nach den rot- und gelbstichigen Kopien, die in den letzten zehn Jahren zu sehen waren, erstrahlt 2001 endlich wieder im kühlen Glanz der Uraufführung.

Ebenfalls stattgefunden hat eine digitale Bearbeitung des Filmtons. Der Synchrondialog ist zwar noch der gleiche wie eh und je, mit den heutzutage üblichen Surroundeffekten hat man sich auch erfreulich zurückgehalten, und das Vakuum bei Kubrick ist glücklicherweise immer noch ein lautloses. Die Musik allerdings wurde einer recht beeindruckenden Frischzellenkur unterzogen: Die Strausssche Zarathustra-Ouvertüre donnert mit einer Wucht aus den Lautsprechern, wie sie nicht einmal dem 6-Kanal-Magnetton der bisherigen 70-mm-Fassung eignete, die Chorstimmen in Ligetis Requiem sind möglicherweise schon einen Tick zu leicht als menschliche zu identifizieren, und bei der Lichttunnel-Sequenz gibt der Subwoofer ordentlich Dampf. Letzteres ist wohl Kubricks wesentlichstes Zugeständnis an veränderte Rezeptionsgewohnheiten - oder zeichnete etwa doch posthum ein ungenannter Tontechniker (Pardon, heute sagt man ja Sounddesigner) bei Warner Bros. dafür verantwortlich?

Noch ein paar Worte zum Inhalt ... Als Zukunftsentwurf hat 2001 wohl weitgehend versagt. Setdekoration und Garderobe merkt man teilweise recht deutlich ihre Entstehungszeit an, die bemannte Raumfahrt beschränkt sich im real existierenden 2001 auf vergleichsweise lächerliche Hopser über die Stratosphäre hinaus, und die sog. künstliche Intelligenz hinkt dem guten alten HAL 9000 dermaßen hinterher, daß es schon peinlich ist.

Dennoch ist Kubricks Film ein unverbrauchtes Juwel der Filmgeschichte. Frisch aufpoliert.


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